15.09.2021 Übersicht

Apple Mail Privacy Protection: Viel Lärm um nichts?

UPDATE 21.01.2023: Dialog-Mail kann die Mail Privacy Protection erkennen und filtern - und damit die Verzerrungen der Öffnungsrate minieren! [mehr]

Die Aufregung um die Datenschutz-Funktionen rund um das iOS15 ist groß. Bedeutet es wirklich das Ende der Newsletter-Statistiken? Wir analysieren die Konsequenzen.

Seit gestern ist es offiziell: Am 20. September kommt das iOS 15 – und damit die Datenschutz-Funktionen "Mail Privacy Protection" und "Hide my Email" von Apple, über die seit einiger Zeit wild spekuliert wird.

Einige Experten prophezeien das Ende der Newsletter-Statistiken; wieder andere wiegeln ab. Doch was bringt das iOS-Update und welche Konsequenzen wird es bringen? Wir haben dazu ein Interview mit Michael Kornfeld geführt.

 

Was bedeutet das iOS 15 für E-Mail und wieso die Aufregung?

Kornfeld: Kurz zusammengefasst: Mit dem Update von Apple's Betriebssystem wird es eine neue Funktion "Mail Privacy Protection" geben. Wenn sie aktiviert wurde, lädt Apple alle Bilder der E-Mails herunter, auch wenn sie nicht geöffnet werden.

Das klingt vielleicht widersinnig, die Idee ist aber simpel: Die Versender setzen meist unsichtbare kleine Bilder (sog. beacons) ein, die mit einer ID versehen sind und über die sich eine Öffnung feststellen ließ – nämlich wenn das Bild beim Öffnen heruntergeladen wurde.

Wenn Apple aber nun alle Bilder aller Benutzer herunterlädt, werden all diese Mails als geöffnet gezählt werden. Dadurch wissen die Versender aber nicht mehr, welche User nun tatsächlich das Mail geöffnet haben.

Außerdem wird die IP-Adresse verschleiert, damit die Öffnung eines Empfängers nicht geographisch ausgewertet werden kann. All das soll die Privatsphäre der einzelnen Empfänger schützen.

 

Werden die Apple Benutzer das Feature aktivieren? Und wie lange wird das dauern?

Kornfeld: Die "Mail Privacy Protection" wird zwar nicht standardmäßig aktiviert sein, aber die Apple-Benutzer werden aktiv danach gefragt werden, ob sie ihre Privatsphäre schützen möchten. Ich gehe davon aus, dass weit über 90% aller User die Frage bejahen und das Feature damit aktivieren werden.

Das wird außerdem relativ schnell gehen. Aus früheren Updates von Apple wissen wir, dass ein Großteil der User die Updates innerhalb weniger Tage bis Wochen installiert – nur beim iPad dauert es etwas länger, weil das oft nicht ganz so häufig verwendet wird wie beispielsweise ein iPhone. Es ist also damit zu rechnen, dass innerhalb weniger Wochen bei einem Großteil der Apple User die "Mail Privacy Protection" aktiv sein wird. Und man somit keine Mail-Öffnungen auf diesen Geräten mehr erkennen kann.

 

Gilt das nur für den Apple Mail-Client? Und wie viele Empfänger betrifft das eigentlich?

Das Privacy-Feature gilt nicht nur für das Apple-eigene Mail-Programm sondern auch für andere Mail-Programme, die iOS-Geräten ausgeführt werden, zum Beispiel "Outlook für Apple." Denn auch hier übernimmt Apple das Rendering der Mails.

In den USA betrifft das rund 40% aller Mail-Empfänger, also einen sehr großen Anteil. In Europa ist der Prozentsatz nicht ganz so hoch, aber 20% und etwas mehr können das schon sein. Inwieweit man als Versender davon betroffen ist, hängt aber natürlich massiv mit der eigenen Zielgruppe zusammen – und wie hoch dabei der Anteil an Apple-Usern ist. Bei manchen Unternehmen wird das unter 10% sein, bei anderen aber auch wesentlich höher.

 

Bedeutet das also das Ende der Öffnungsrate?

Kornfeld: Nein, natürlich nicht. Die E-Mail-Marketing Academy hat das in dem Artikel "Gibt es bald kein Öffnungs-Tracking mehr?" schon treffend analysiert.

Der Untergang ist Abendlandes wird das alles nicht bedeuten. Denn erstens betrifft das derzeit eben "nur" die Apple-Geräte und alle anderen nicht – wobei aber durchaus sein könnte, dass andere Anbieter (wie Google Mail) hier später nachziehen könnten. Zweitens kann man eine individuelle Öffnung eines Users nach wie vor durch die Klicks erkennen – das funktioniert also weiterhin, unabhängig von "Mail Privacy Protection".

Doch wenn ein Empfänger nicht klickt, wird man also nicht mehr wissen, ob er das Mail nun eigentlich geöffnet hat oder nicht.

 

Auf welche Bereiche von E-Mail-Marketing wird sich das auswirken?

Kornfeld: Auf viele. Neben den Auswirkungen auf die Öffnungsrate und verwandten Kennzahlen (wie zum Beispiel der Click-to-Open Rate) werden bei Apple-Usern Ereignis-Mailings, die durch eine Öffnung ausgelöst werden, sinnlos. Auch die Optimierung des Versandzeitpunktes wird bei ihnen nicht mehr möglich sein, genauso wie die Reichweiten-Analysen oder die Identifizierung von Schläfern (Anm.: Empfänger, die keine Mails öffnen) und damit Reaktivierungs-Kampagnen. Oder auch Countdown-Timer, die erst ab einer Öffnung zu laufen beginnen.

 

Sind A/B-Tests von Betreffzeilen oder Versand-Zeitpunkten also nicht mehr möglich?

Kornfeld: Doch! A/B-Tests sollten nach wie vor problemlos möglich sein. Denn wenn man diese "sauber" durchführt, werden die Testgruppen nach dem Zufallsprinzip zusammengestellt, damit sollte der Anteil an Apple-Usern bei allen Gruppen ungefähr gleich sein. Damit wird der Effekt der Mail Privacy Protection also egalisiert und die Ergebnisse sind weiterhin aussagekräftig.

Wichtig ist nur, dass in Zukunft die Testgruppen etwas größer dimensioniert werden, damit genügend "Nicht-Apple-User" in allen Gruppen enthalten sind.

 

Die große Panik ist also nicht angesagt?

Kornfeld: Aus meiner Sicht nicht. Denn die Öffnungsrate ist schon lange nicht mehr die wichtigste E-Mail-Marketing Kennzahl – wenn sie das überhaupt jemals war. Viel wichtiger sind Klickraten oder – noch besser – Conversion-Raten oder Umsätze, die auf der Website stattfinden. All diese Kennzahlen sind unverändert und ohne Einschränkungen verfügbar – auch für Apple User.

 

Was würden Sie den Newsletter-Versendern empfehlen?

Kornfeld: Zuerst sollte das Unternehmen einmal prüfen, wie hoch der Anteil an Apple-Usern in der eigenen Zielgruppe überhaupt ist. Erst dann kann man einschätzen, wie stark man von dem neuen Privacy Feature betroffen ist.

Hinweis für Dialog-Mail Kunden: Über den Befehl Statistiken»Mail-Programme können Sie auf Knopfdruck analysieren, auf Wunsch für jede Ihre Listen getrennt, welche Mail-Programme Ihre Empfänger verwenden. So wissen Sie sofort, wie sehr Ihre Mailings von dem iOS Update betroffen sein könnten.

Weiters sollte man für interessante Inhalte sorgen – die so interessant sind, dass der Leser mehr wissen möchte und auf den weiterführenden Link klickt; denn dann kann die Öffnung weiterhin festgestellt werden, auch für Apple-Geräte.

Darüber hinaus könnte man überlegen, genau aus diesem Grund, generell mehr Klicks zu forcieren. So könnte man zum Beispiel kleine nette Abstimmungen in den Newsletter einbauen (die für Klicks sorgen) oder bei Artikeln Like-/Dislike-Icons zu platzieren (die ebenfalls für Klicks sorgen).

Und dann sollte man sich ansehen, insb. wenn der Anteil an Apple-Usern relativ hoch ist, welche Abläufe und Funktionen rund um den Newsletter von der Öffnungsrate abhängig sind, wie zum Beispiel eine Reichweiten-Analyse oder ein Ereignis-Mail, das durch eine Öffnung ausgelöst wird. Hier muss man sich tatsächlich ansehen, ob der weitere Einsatz für alle Empfänger sinnvoll ist.

Und, last but not least, sollten sich Unternehmen auf andere Kennzahlen als die Öffnungsrate alleine konzentrieren. In unserem Artikel "Öffnungs- und Klickraten sind nicht genug!" haben wir schon erklärt, weshalb Unternehmen nicht nur Öffnungs- oder Klickraten analysieren sollten. Und die Versender sollten auch stärker auf "negative Signale" achten, wie zum Beispiel Abmeldungen oder Spam-Beschwerden.

 

Was haben Sie bei Dialog-Mail zu dem Thema geplant?

Kornfeld: Da möchte ich nicht allzu sehr aus der Schule plaudern. Wir haben einige Ideen entwickelt, doch müssen wir uns erst ansehen, wie genau Apple das Feature technisch umsetzt. Denn davon ist abhängig, welche Maßnahmen getroffen werden können.

Es ist beispielsweise weiterhin möglich, das Betriebssystem (iOS 15) sowie das Mail-Programm (Apple Mail) zu erkennen. Dadurch können Nutzer von Apple Geräten weiterhin identifiziert werden und so könnte man zum Beispiel bei diesen die Öffnungsrate nicht mehr ausweisen oder auch auf Basis von historischen Werten die Öffnungsraten schätzen. Ideen gibt es also viele – welche davon sinnvoll sind, werden wir bald wissen.

Bildcredits: Image by hurk from Pixabay

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